Im Dialog mit der FDP Neuss: Regionale Chancen und Herausforderungen im Bundeshaushalt
Dieser Artikel erschien am 24.10.2024 in der Rheinischen Post.
Otto Fricke hat den Entwurf für den Bundeshaushalt schon mehrfach durchgeackert, jetzt tat er es für die FDP Neuss noch einmal. Der Stadtverband hatte den Haushaltsexperten der FDP-Bundestagsfraktion nämlich eingeladen, um von ihm zu hören, welche Bedeutung das Zahlenwerk für die regionale Entwicklung hat. Fündig wurde Fricke etwa im Etat für den Ausbau von Autobahnen und Fernstraßen – allerdings nicht unter dem Suchbegriff Neuss sondern Krefeld. „Seid froh“, sagte er am Mittwochabend an die Adresse der etwa 25 FDP-Mitglieder im Drusus One, „dass der sechsspurige Ausbau der A 57 bei Euch schon durch ist.“ In Krefeld läuft er nämlich gerade und macht die A 57 zur Staufalle.
Die FDP erlebte Fricke als Politiker, der Diskussionen mehr mag als Vorträge, der noch an das Gute in der Berliner Ampel-Koalition glaubt und ein Fan kommunaler Selbstverwaltung ist. Die Vielfalt der Förderprogramme von Bund und Land würde er auslichten und das Geld lieber direkt den Kommunen geben, damit die selbst entscheiden können. „Warum“, fragte er beispielsweise, „gibt es im Bundeshaushalt ein Fahrradparkhaus-Programm? Ist das unsere Aufgabe?“
Fricke erwies sich aber auch als Kenner der Niederlande. Auf die kam er zu sprechen, als der FDP-Vorsitzende Cornel Janßen wissen wollte, was man beim Thema Wohnungsbau vom Nachbarland lernen könne. Fricke fielen aus dem Stand vier Punkte ein: Kleinere Grundstücke, mehr serielles Bauen, die Möglichkeit, auch am Rand von Gewerbegebieten Wohnraum zuzulassen und vor allem: „Pfeif auf den Keller“. Das sei die teuerste Etage jedes Hauses und oft überflüssig.
Bevor das Thema Bundesetat im Zusammenhang mit dem Strukturwandel im Rheinischen Braunkohlerevier diskutiert wurde, wurde der Krefelder Abgeordnete um einen Bericht aus Berlin gebeten. Er sprach von „viel Misstrauen“, „gegenseitigen Forderungen“, schlechten Popularitätswerten für die Koalition und einer FDP, die in Umfragen derzeit „unter der Kante“ liegt, also laut Umfragen an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern und den Einzug ins Parlament verpassen könnte. Aber Fricke konnte im „FDP-Werbeblock“, wie er es nannte, auch Erfolge der Liberalen (etwa beim Bürokratieabbau) melden und zudem etwas Optimismus verbreiten. Beispiel dafür: Anders als Spitzenpolitiker der anderen Regierungsparteien sei Christian Lindner als Frontmann der FDP unangefochten. Das sei ein Pluspunkt.
Die Koalition werde halten, sagte er, weil der gemeinsame Vertrag von niemandem gebrochen wurde. Und deshalb ist er optimistisch, dass der Bundestag den Etat für 2025 Ende November mehrheitlich beschließen wird. Aber weil unter dem Stichwort Neuss in diesem Zahlenwerk keine Haushaltsposition zu finden ist, beließ es Fricke bei einer Stärke-Schwächen-Analyse. Stärken der Region seien die Multimodalität mit vielen Verkehrsträgern, zu denen er auch „massenhaft vorhandene Pipelines“ zählte, sowie eine gut ausgebaute Strominfrastruktur. Versorgungssicherheit sei für Investoren ein mitentscheidender Faktor bei der Standortentscheidung, sagte Fricke. Dass diese Stärken für einen anstehenden Strukturwandel genutzt werden, den der Bund über Anschubfianzierungen fördern könnte, kann Fricke nicht erkennen. „Eine große Idee dazu habe ich nicht gehört.“